Die Ära von „Vibe Everything“: Warum sich harte Arbeit für immer verändert hat
Die Arbeit verlagert sich von der Ausführung zur Intention. Wir wechseln vom Coden zum „Vibing“ – wir geben der KI das Ziel vor und lassen sie den Rest erledigen. So wird das Ein-Personen-Unicorn gebaut.

Vibe Coding: Der Aufstieg der „Vibe Economy“
Andrej Karpathy hat kürzlich einen Begriff geprägt, der mir nicht mehr aus dem Kopf geht: „Vibe Coding“. Er beschreibt einen Wandel, bei dem man die Syntax nicht mehr selbst schreibt; man schreibt den Prompt, die Intention, den Vibe – und die Maschine kümmert sich um die Implementierung.
Aber wenn man genau hinschaut, was gerade im Startup-Ökosystem passiert, sieht man, dass es hier nicht nur um Code geht. Es geht um alles.
Wir erleben gerade den Tod der „Execution Barrier“ (Umsetzungshürde) und die Geburt der „Vibe Economy“.
Stell dir den traditionellen Workflow eines Gründers vor: Du hast eine Idee. Du brichst sie herunter. Du stellst einen Designer für das UI ein. Du stellst einen Entwickler für das Backend ein. Du engagierst einen Marketer für die Texte. Du verbringst Wochen mit Übergaben, Missverständnissen und Qualitätssicherung. Die Reibung ist hoch; die Kosten des Scheiterns sind massiv.
Dreh dieses Modell jetzt mal auf den Kopf. In der nahen Zukunft – und ehrlich gesagt, in der experimentellen Gegenwart – sieht der Workflow völlig anders aus. Du managst keine Menschen, die Aufgaben erledigen; du managst den Vibe der Agenten, die sie ausführen.
Die Anatomie eines Vibes
Was bedeutet „nach Vibe arbeiten“ eigentlich? Es klingt schwammig, fast schon ein bisschen hippie-mäßig, aber es ist tatsächlich eine knallharte technische Realität.
Wenn wir über diese neue Art des Bauens sprechen, reden wir nicht davon, „Bau mir einen Facebook-Klon“ in ChatGPT einzutippen und auf das Beste zu hoffen. Wir sprechen über einen ausgeklügelten „Agentic Loop“, der das Verhalten eines Senior Engineers oder eines Produktmanagers nachahmt.
So sieht der Prozess tatsächlich aus, wenn man unter die Haube schaut:
- Intention Setting (Der Vibe): Du sagst dem Modell, was du willst, und konzentrierst dich auf das Ergebnis statt auf die Schritte.
- Dekomposition: Das Modell führt nicht einfach nur Code aus; es bricht deine komplexe Anfrage in Mikro-Anforderungen herunter.
- Werkzeugauswahl (Tool Selection): Es analysiert, welche Tools benötigt werden (Muss es im Web surfen? Auf die Datenbank zugreifen? Ein Bild generieren?).
- Ausführung & Generierung: Es generiert die
todos, schreibt den Code oder entwirft die Texte. - Verifizierung: Das ist der entscheidende Schritt, den die meisten übersehen. Das Modell begibt sich in eine „Review-Umgebung“, um seine eigene Arbeit zu testen. Kompiliert der Code? Zerschießt das Design die Ansicht auf dem Handy?
- Merging: Es konsolidiert die parallel laufenden Aufgaben in ein einziges Lieferpaket.
- Menschliche Bestätigung: Du gibst den finalen Daumen hoch.
Das ist der Unterschied zwischen einem Chatbot und einem Kollegen. Und wenn man diesen Loop auf jede Abteilung in einem Startup anwendet, wird es richtig wild.
Jenseits von Code: Die Vibe Company
Der meiste Lärm dreht sich gerade um Coding-Assistenten wie Cursor oder Devin. Aber als Builder interessiert mich mehr, was passiert, wenn sich das horizontal ausweitet.
Vibe Product Management
Jeder kennt den Schmerz, Jira-Tickets zu schreiben. Es ist ein notwendiges bürokratisches Übel. Aber stell dir einen „Vibe PM“ vor. Du lädst ein Transkript eines Nutzerinterviews hoch und sagst: „Der Nutzer ist verwirrt über den Checkout-Flow. Pass die Spezifikation an, um das zu beheben.“ Der Agent analysiert die Reibungspunkte, aktualisiert das PRD (Product Requirement Document), erstellt die Tickets und priorisiert sie nach Impact. Du hast kein einziges Ticket geschrieben; du hast nur das Problem identifiziert.
Vibe Marketing
Marketing ist oft nur das Testen von Hypothesen in großem Maßstab. Ein „Vibe Marketer“-Agent schreibt nicht einfach nur einen Tweet. Du gibst ihm das Ziel: „Wir müssen Developer-Founder erreichen, die genug von ihren AWS-Rechnungen haben.“ Der Agent recherchiert Trendthemen, entwirft 20 Variationen von Ad-Copy, generiert die passenden Visuals (Vibe Design) und setzt die A/B-Test-Parameter auf. Dein Job ist es nicht, den Text zu schreiben; dein Job ist es, die „Voice“ (Stimme) auszuwählen.
Vibe Testing
Qualitätssicherung (QA) ist normalerweise der Ort, an dem Geschwindigkeit stirbt. In einem Vibe-Setup passiert das Testen autonom. Der Agent fährt einen Browser hoch, klickt sich durch die User Journey, die du gerade gebaut hast, macht Screenshots von Fehlern, fixt den Code und lässt den Test erneut laufen. Er meldet sich erst bei dir, wenn die Ampel auf Grün steht.
Das führt uns zur ultimativen Schlussfolgerung: Die Vibe Company.
Der Kollaps des Risikos
Paul Graham spricht oft davon, wie die Kosten für die Gründung eines Startups in den letzten 20 Jahren drastisch gesunken sind. Es ging von Millionen (Server kaufen) zu Tausenden (Cloud). Wir nähern uns jetzt der Asymptote: Null.
Wenn du Vibe Design, Vibe Coding und Vibe Marketing hast, sind die Kosten, um eine Idee zu testen, nicht mehr Geld – es ist nur noch Fokus.
Ich habe in der Vergangenheit Produkte gelauncht, bei denen das MVP (Minimum Viable Product) drei Monate und 20.000 Dollar an Freelancer-Kosten verschlungen hat. Wenn dieses Produkt scheiterte, war das eine Tragödie. Heute kann ich dasselbe MVP an einem Wochenende mit AI-Tools für ein paar Dollar an API-Credits hochziehen. Wenn es scheitert? Ist es keine Tragödie; es ist ein Datenpunkt.
Das verändert die Psychologie des Gründens. Wenn das Risiko der Ausführung sinkt, kannst du es dir leisten, bei der Idee selbst mutigere Wetten einzugehen. Du musst nicht auf Nummer sicher gehen, weil „Scheitern teuer ist“. Scheitern ist jetzt billig.
Die Falle: Wenn jeder Superkräfte hat
Ich muss hier allerdings kurz den „DHH“ spielen und etwas kaltes Wasser auf die Euphorie gießen.
Wenn jeder eine „Vibe Company“ bauen kann, dann ist das bloße Bauen kein Wettbewerbsvorteil mehr.
Wir bewegen uns von einer Ära des „Wie baue ich das?“ zu „Was soll ich bauen?“ und, noch wichtiger, „Taugt es was?“
Wenn die Ausführung zur Commodity (Massenware) wird, wird Taste (Geschmack/Gespür) zum einzigen Burggraben.
Ich sehe das jetzt schon. Es gibt eine Flut von AI-generierten Apps auf dem Markt, die perfekt funktionieren, sich aber seelenlos anfühlen. Sie haben keine Meinung. Sie lösen ein Problem technisch, versagen aber emotional. Ihnen fehlt der menschliche Touch, der ein Produkt unvergesslich macht.
Die Gründer, die in dieser neuen Ära gewinnen, werden nicht unbedingt die besten Ingenieure sein. Sie werden die besten Kuratoren sein. Sie werden diejenigen mit dem besten „Vibe“ sein – der klarsten Vision, der schärfsten Intuition dafür, was Nutzer wollen, und dem höchsten Anspruch an Qualität.
Praktische Takeaways: Wie man den Vibe Shift überlebt
Wenn du das hier liest und dich ängstlich fühlst: Keine Sorge. Das ist der größte Hebel, den wir je hatten. Aber du musst ändern, wie du heute arbeitest.
-
Hör auf, Syntax zu huldigen: Wenn du Programmieren lernst, konzentriere dich auf Systemarchitektur und Logik, nicht auf das Auswendiglernen von Syntax. Die KI übernimmt die Syntax. Du musst verstehen, wie die Teile zusammenpassen, damit du den „Vibe Coding“-Agenten effektiv steuern kannst.
-
Kultiviere deinen Taste: Das ist dein neues Kapital. Studiere großartige Produkte. Verstehe, warum sich ein bestimmtes Design gut anfühlt. Wenn die KI fünf Optionen generiert, ist deine Fähigkeit, die Gewinner-Option auszuwählen, dein gesamtes Wertversprechen.
-
Übe „Prompting“ als Management: Behandle deine AI-Tools wie schlaue Praktikanten. Wenn der Output schlecht ist, repariere ihn nicht einfach selbst. Frag dich: „Wie habe ich das schlecht erklärt?“ und verfeinere deine Anweisungen. Zu lernen, diese Agenten zu dirigieren, ist die essenzielle Fähigkeit des nächsten Jahrzehnts.
-
Starte ein „Vibe Projekt“: Warte nicht. Versuch dieses Wochenende, etwas Kleines zu bauen, nur mit natürlichsprachlichen Prompts und AI-Tools. Spüre die Reibung. Sieh, wo es hakt. Du musst das Muskelgedächtnis für diesen neuen Workflow entwickeln.
Die Zukunft ist persönlich
Früher dachte ich, um eine große Firma aufzubauen, müsste ich ein Manager von Menschen werden. Ich graute mich vor der Vorstellung, mich vom Produkt zu entfernen, um HR-Probleme und Hiring-Pipelines zu managen.
Das Versprechen von „Vibe Everything“ ist, dass Builder auch Builder bleiben können. Wir können massive, komplexe Operationen leiten, ohne zu Bürokraten zu werden. Wir können KI nutzen, um die Skalierung zu bewältigen, während wir uns auf die Seele des Produkts konzentrieren.
Die Tools sind bereit. Die Barriere ist weg. Das Einzige, was fehlt, ist dein Vibe.
Also, was wirst du bauen?
Teilen

Feng Liu
shenjian8628@gmail.com